Ist euch auf einem Bahnhofgleis jemals aufgefallen, was bei einem einfahrenden Zug seltsames vorgeht? Je voller das Gleis, umso mehr?
Menschen stehen und warten auf den Zug. Der Zug ist nicht zu sehen, nichts geschieht. Kaum jemand bewegt sich, Neuankömmlinge suchen sich ihren Platz. Viele blicken in die Richtung, aus der sie den Zug erwarten. Als ob das frühe Erblicken des Zuges die Abfahrt beschleunigt. Ich selbst gehe meistens auf und ab und beobachte. Stehen auf der Stelle scheint meine Wartezeit zu verlängern.
Irgendwann sieht man den Zug kommen. Er erreicht das Gleis noch mit hoher Geschwindigkeit und beginnt zu bremsen. Die Lok und die ersten Wagons fahren an den Leuten vorbei, die ihnen mit den Augen folgen. Man sieht Augen einen Punkt am Zug fixieren und ihn verfolgen, bis er vorübergezogen ist. Dann suchen sie sich einen neuen, so dass die Köpfe hin- und herschwenken.
Das Seltsame geschieht erst, wenn der Zug sehr langsam wird. Unterhalb eines gewissen Tempos setzen sich plötzlich die ersten Menschen in Fahrtrichtung in Bewegung. Scheinbar haben sie eine Tür fixiert und sind fortan darauf festgelegt, diese zu erreichen, ganz gleich, wie weit der Zug noch fahren wird. Erst bewegen sich nur wenige, schnell immer mehr, am Ende die meisten. Sie laufen dem Zug hinterher, obwohl er noch viele Meter langsam weiterfährt. Wie weit genau lässt sich auch für erfahrene Bahnfahrer kaum abschätzen.
Ich bleibe stehen und bestaune amüsiert das Schauspiel. Ich warte, bis der Zug steht und suche mir dann die mir am nächsten liegende Tür zum Einstieg. Das scheint mir die einfachste Taktik und naheliegend zu sein.
Offensichtlich ist es keine Taktik oder ein Denkprozess, der die meisten Menschen in Bewegung setzt. Es ist sinnlos. Niemand beschließt bewusst, einer angepeilten Tür nachzulaufen. Es muss also ein instinktiver, urmenschlicher Mechanismus sein. Aber welcher? Woher stammt er und wie wirkt er? Es gibt viele davon im Alltag, wenn man darauf achtet. Ich möchte sie in der Folge beobachten und beschreiben.
Der Mensch – ein denkendes Wesen? Nicht immer!
Definitv nicht immer! 🙂