3. Schultag

(1. Schultag, 2. Schultag)

Aus dem Leben eines Lehrers, der keiner ist.

Haben sie mich wieder erwischt, die kleinen Racker. Um sie etwas besser ans Arbeiten zu kriegen, hatte ich mir einen Plan zurechtgelegt. Ich wollte mit einer halben Stunde Frontalunterricht starten, um sie mit dem notwendigen Basiswissen für ihre erste eigene Programmieraktion zu versorgen. Alles kann man sich eben nicht erarbeiten oder durch reines Nachdenken erschließen. Damit war ich in der vorigen Stunde gescheitert. Ein Frage-Antwort-Spiel funktioniert nicht, wenn es nur aus Fragen besteht. Es fehlen noch die richtigen Denkmuster. Das ist kein Wunder, ist es doch mein erklärtes Ziel der AG, diese erst zu implementieren und die kleinen Menschen zu brutalen Deduktionsmaschinen zu erziehen.
Danach sollte es in Gruppenarbeit weitergehen. Das nennt man so – dachte ich mir – weil die Gruppen arbeiten und ich nicht. Nunja.
Das Gelernte soll zu einem ersten eigenen Programm umgesetzt werden: Tic-tac-toe.

XO_
OXO
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Vor meinem inneren Auge sah ich sie mit glühenden Wänglein dort sitzen und eifrig über der Aufgabe brüten. Nochmal nunja.
Man staunt kaum – es kam anders. Der Frontalteil war gut vorbereitet und hätte an einer Uni sicher prima funktioniert. In der Mittelstufe aber gelten andere Regeln. Mir ist aufgefallen, wie schwierig ganz einfache Sachverhalte werden können, wenn man sie erklären muss. Erkläre mal jemandem etwas Offensichtliches!
Zwischenfragen sind mir willkommen und zeugen von Aufmerksamkeit und geistigem Folgen. Interessant sind solche, die kaum mit dem gerade besprochenen Thema zu tun haben und zeigen, dass der Schüler innerlich auf einem ganz anderen Weg als der Vorturner ist. Dafür habe ich kein Rezept. Man kann sie zurückstellen, klar. Aber wie bringt man die Jungs auf den Denkpfad, der zum großen Ziel – Tic-tac-toe – führt? Ich gehe einen Schritt zurück, erkläre nochmal und deute die philosophische Tragweite meiner Ausführungen an. Sie können mir nicht wirklich folgen, das spüre ich. Sind in ganz anderen Vorstellungen verhaftet. Es hat noch nicht Klick gemacht.
Mir bleibt nur die Flucht nach vorn. Ich ziehe den Wissensteil durch und lasse sie, in Grüppchen, die Maschinen für den praktischen Teil starten. Statt einer halben Stunde habe ich fast eine ganze geredet. Ich schreibe mir ‚Zeitmanagement!‘ auf ein inneres Memokärtchen.
Volles Rohr in die nächste Falle getappt. Die gleiche wie letzte Woche, wie doof. Diese mittleren Stufenkerle haben eine seltsame Ich-habe-keine-Ahnung-Strategie! Statt auf Anleitung zu warten tun sie einfach irgendwas. Irgendwas! Klicken auf alles, was so aussieht, als könne man draufklicken. Wie wildgewordene Brummkreisel. Und schon ist aus Führung ein Hinterherlaufen geworden, um sie wieder einzufangen und an die Startlinie zu stellen. Einfangen kann ich aber nur einzeln, während die anderen lustig weiter Brummkreiseln. Das ist anstrengend und ich sehe nicht gut aus. Auch der Drucker meldet sich wie letzte Woche wieder unmotiviert. Als es endlich geschafft ist – zack! – Stunde rum. Das ging aber schnell heute. Die Pause hatte ich auch schon verpasst. Dann eben nächste Woche.
Der Lehrer hat wieder gelernt, die Schüler haben geschult. Langsam wird mir klar, woher diese Begriffe stammen. Müsste es nicht Lerner und Schuler heißen?

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